Kantönligeischt auf dem Mekong
Unsere Zeit in Indochina ist geprägt von Gegensätzen: Von der eisigen Kälte in der Nacht bis zur brütenden Hitze tagsüber. Von frittierten Taranteln und Riesenkäfern bis zu Zürigschnätzletem mit Rösti. Von Beat Richners Kinderspital für die Ärmsten der Armen bis zum Pomp des Königspalastes. Vom modernen, strahlend weissen Tempel in Chiang Rai bis zu den uralten, dunklen Ruinen von Angor Wat. Vom glitzernden Mekong inmitten unberührter Natur bis in dessen lautes, dicht besiedeltes Delta. Von einem ganzen Schiff mit Besatzung für uns alleine im Gegensatz zu einem Töffli als übliches Transportmittel für eine vierköpfige Familie.
Unsere Route führt uns in drei Wochen vom Norden Thailands bis nach Hoh Chi Minh City. Mit dem Schiff reisen wir zunächst auf dem Mekong nach Luang Prabang in Laos. Ein kurzer Flug bringt uns später nach Siem Reap. Mit dem Auto geht’s quer durch Kambodscha bis nach Phnom Penh. Und durch das Mekongdelta in Südvietnam bis nach Saigon sind wir wieder mit dem Schiff unterwegs.
Tempel, Museen und Steinhaufen
Eigentlich fühlen wir uns nach Chiang Mai dank unserem Guide Ben in Sachen buddhistische Tempel und asiatische Kunstgeschichte schon richtig sattelfest. Das sehen aber Kamphan, Bunsarng, Meta und Em anders und so besuchen wir an jeder Station natürlich die wichtigsten Tempel, Museen und Paläste. Logisch, dass jeder Guide sein geballtes Wissen loswerden möchte und so erfahren wir etwa eine Million Jahreszahlen, die wir uns natürlich alle merken können ;-). Über das Leben Buddhas könnten wir eine Doktorarbeit schreiben :-)! Wir erklimmen unzählige Treppenstufen, zwängen uns durch schmale Durchstiege und machen mindestens zweitausend Fotos von Reliefs aus dem zwölfen Jahrhundert (mehrtägiger Diavortrag buchbar ab April :D). Zwischendurch sind wir richtig glücklich, wenn wir mal wieder einen Tag „frei“ haben und selbst auf Erkundungstour gehen können.
Nein, nein, so schlimm ist es natürlich ganz und gar nicht, sondern meistens sehr interessant. Die Tempel, die wir in den einzelnen Ländern und Regionen besuchen, sind total unterschiedlich. Im noch nicht ganz vollendeten weissen Tempel gibt es kunterbunte Wandmalereien mit Superhelden wie Batman, Neytiri, Hulk oder James Bond. In den Höhlen über dem Ufer des Mekongs in Laos wurden Tausende verschiedene Buddhastatuen während des Krieges in Sicherheit gebracht. Angkor Wat ist das grösste sakrale Bauwerk der ganzen Welt. Die chinesischen Tempel werden von unzähligen Drachen geziert. In den Cao Dai Tempeln haben es Buddha, Jesus und Konfuzius sogar gleichzeitig auf den Altar geschafft. Und, und, und…
Wenn mal die Konzentration nachlässt und der Blick von der siebzehnten Schnitzerei des Tages abschweift, kann man entweder die Frisuren der steinernen Tempeltänzerinnen studieren (vielleicht gab es ja im 12. Jahrhundert doch auch schon Frauenzeitschriften!?) oder man entdeckt sonst etwas Witziges hinter den Kulissen: Waschtag bei den Mönchen, Hunde und Katzen, die immer einen idealen Platz zum Schlafen finden, wahre Lichtschalter-Kunstwerke in diversen Tempeln oder Sugus, die es bis nach Vietnam geschafft haben und dort offenbar zu den beliebtesten Opfergaben gehören.
Schatzsuche
Nicht nur uns, sondern auch unseren Guides macht das Geocachen richtig Spass! In Luang Prabang im Norden von Laos kommt so unser Guide zur Abwechslung mal in einen Tempel, der von Touristen sonst nie besucht wir und der Chauffeur macht den richtigen Griff, als er die Spitze einer Stupa abhebt. Das hätten wir uns natürlich niemals getraut. An irgendeinem heiligen Tempelteil rummanipulieren… ;-).
In Kambodscha rund um Angkor Wat und all die anderen Ruinen werden wir am ersten Tag tatkräftig von Bunsarng unterstützt. Neugierig geworden und vom Jagdfieber gepackt, ist ab dem zweiten Tag ist auch der Fahrer Sam bei jeder Suche mit dabei. Die beiden stapfen sogar noch während der Mittagspause durch das Dickicht am Flussufer um weiterzusuchen! Die Caches in den beiden Tempeln aus dem Film Tomb Raider auf den Spuren von Lara Croft gehören zu den Highlights in Sachen Geocaching in Kambodscha. Sam ist es auch, der uns den ganzen weiten Weg mit dem Auto von Siem Reap nach Phnom Penh bringt. Da er uns ja nun schon ein paar Tage kennt, wundert er sich nicht mehr, dass er zwischendurch mal einen Extrastopp einlegen muss, um mit uns irgendeine winzig kleine, schwarze Box zu suchen. Auf jeden Fall kommen wir auch hier in Südostasien wieder an so manchen Ort, den wir ohne unser spezielles Hobby wohl nicht entdeckt hätten! Zum Beispiel zu einem türkisblauen Wasserfall in Laos oder zur Kirche Nôtre Dame in Ho-Chi-Minh, wo sich die vietnamesischen Brautpaare so kurz vor dem chinesischen Neujahr quasi die Klinke in die Hand geben. Und inmitten der diversen Fotoshootings von den frisch Vermählten rund um das alte Gemäuer, finden wir noch einen winzig kleinen Nano mit einem Logbuchstreifen drin. Der Fotograf denkt sich wahrscheinlich: Oh nein, was machen denn jetzt die beiden Europäer da schon wieder im Bild!?
Wer wird Millionär?
Dass früher in Italien ein Glace tausend Lire kostete, fanden wir als Kinder ja schon megalustig. Und nun jonglieren wir sogar mit Millionen! Wirklich daran gewöhnen können wir uns aber nicht. Fragen wie „Sölli am Bankomat eini oder zwei Millionen uselah?“ finden wir immer noch sauglatt! In Kambodscha gibt’s für 100 Franken etwa eine halbe Million Riel, in Laos eine Million Kip und in Vietnam weit über zwei Millionen Dong!
In Kambodscha kommen wir uns aber wirklich wie Millionäre vor. Aber eher auf eine traurige Art. Kambodscha gehört zu den ganz armen Ländern dieser Welt und dies ist selbst in den touristischen Regionen offensichtlich. Mit dem, was wir hier an einem einzigen Tag ausgeben, muss so manche Bauernfamilie ein ganzes Jahr lang auskommen. Sehr eindrücklich und berührend ist für uns der Abend in Dr. Beat Richners Kinderspital. Wir bekommen von Beatocello nicht nur schöne Musik zu hören, sondern er versteht es auch, seinen Zuhörern auf eine unterhaltsame, humorvolle Art die Augen zu öffnen für ein sehr ernstes, trauriges Thema. Am Schluss sind wir zu Tränen gerührt – eine Mischung aus Ehrfurcht vor dem Werk und dem immer noch ungebrochenen Kampfgeistes dieses Mannes und Trauer über die Situation des kambodschanischen Volkes nach all den Kriegswirren in diesem korrupten, von China kontrollierten Staat. Mit Freude spenden wir Beat Richner eine unserer vielen Millionen – wäre zu schön, wenn es Schweizer Franken wären!
Fressen und gefressen werden
Wir schlendern fürs Leben gern durch Märkte: Samstagsmarkt in Alba, Martinimärt in Winterthur, Luzerner Wochenmarkt oder Chlausmärt irgendwo. Auf Reisen ist es natürlich doppelt spannend, das bunte Treiben rund um den Handel von Früchten, Gemüse, Fisch und Fleisch zu beobachten. Und da wir ja dieses Jahr bekanntlich den Zürcher Weihnachtsmarkt verpasst haben, lassen wir nun keine Markthalle und keinen Strassenmarkt aus! Es ist einfach genial, was es hier alles zu entdecken gibt. Schaut auch einfach die Bilder an! Zum Beispiel sitzen die Marktfrauen mitten in den angebotenen Waren – so auch die Metzgersfrau im Fleisch (auf dem Rückweg schläft sie sogar sozusagen in der Auslage). Im Frischwassertank werden gleichzeitig lebende Fische und kühles Bier zum Verkauf angeboten oder man kann kiloweise frisch gescheibelten Knoblauch kaufen. Ausserdem hat man ja perfekt Zeit für eine kleine Mani- und Pediküre, wenn man eh am Stand sitzen und auf Kunden warten muss. Und achtet mal auf die Schürze der einen Marktfrau: Ovomaltine scheint auf unserer Weltreise allgegenwärtig zu sein.
In Laos und Kambodscha lernen wir Folgendes: Alles, was sich bewegt kann man essen. Und alles, was sich bewegt, wird auch gegessen! Also werden auf dem Markt als Snack z.B. frittierte Riesenspinnen, kleine Vögelchen, Fledermäuse, Schlangenspiesse und Käfer aller Art angeboten. Wir sind immer am Überlegen, ob wir nicht so etwas mal probieren sollen!? „Wir“ ist eigentlich falsch. Für „Herr“ Büchel kommt nicht einmal ein leckerer, knusprig gebackener Heugümper in die engere Auswahl. Aber schliesslich rede auch ich mich immer wieder damit raus, dass ich mir auf keinen Fall den Magen verderben will mangels hygienischer Zubereitung der kleinen Scheisserchen. Und so lassen wir es schlussendlich beide mit dem sechs- und achtbeinigen Fastfood bleiben. Eine kambodschanische Redewendung sagt: Das Einzige mit Beinen, was nicht gegessen wird, ist der Tisch :D.
Aber wir kommen trotzdem auf unsere Kosten. Frische Früchte wie Rambutan, Mangos oder Papaya sind an jeder Ecke zu haben und in Vietnam ist mein Mann im Pomelo-Paradies. Und wir essen Curries: Curry mit Huhn, Curry mit Rind, Curry mit Fisch, Curry mit Schwein (heisst in Laos übrigens Muh :-)!) und Pedro bestellt, wann immer er es auf einer Speisekarte entdeckt: ein Massaman Curry! Zwischendurch wundern wir uns mal über eine Suppe mit Chicken, in der einfach ein paar Rugeli Hühnerhals schwimmen oder lachen über bekannte Logos in fremden Schriftzeichen. Einen denkwürdigen Abend ausnahmsweise mal ohne Curry, Lemongras und Koriander verbringen wir im „Blue Lagoon“ in Luang Prabang. Hier kocht ein Laote, der lange in der Schweiz lebte und es gibt: Zürigschnetzlets mit Röschti. Es ist fast so gut wie im Freieck, aber nur fast!
Four Seasons
Bikini und kurze Hosen einpacken und den Winter einfach auslassen, war ursprünglich die Idee. Dank Andrés Reisetipps für San Francisco und der Aussicht auf ein eventuell kühles Tokio anfangs März, sind aber zum Glück auch lange Hosen, Pullover und warme Jacken in unserem Gepäck. Dass wir das alles auch in Südostasien brauchen, hätten wir allerdings nicht gedacht! Nach der bewegten Reisezeit in Neuseeland, Hong Kong, Chiang Mai inklusive Elefantencamp und zwei Tagen auf dem Fluss machen wir im Lao Spirit Resort ein paar Tage Ferien von den Ferien und lassen die Seele etwas baumeln. Wir geniessen die ruhige Idylle inmittenwunderbarer Natur und die vielen, vielen Eindrücke, die wir auf unserer weiten Reise bis dahin schon gesammelt haben, können sich etwas setzen. Und hier im nördlichen Laos erleben wir sogar alle vier Jahreszeiten jeweils an einem einzigen Tag!
Als wir ankommen schmunzeln wir noch über die dicken Elefantenpantoffeln in unserem Häuschen, aber bei der winterlichen Kälte in der Nacht, sind wir super froh drum, wenn wir morgens aus dem warmen Bett schlüpfen und über den kalten Fussboden ins eisige Badezimmer schlurfen. Und nach dem ersten Abendessen mit Eiszapfenzehen, nehmen wir unsere neuen Lieblingsschuhe sogar ins Restaurant und entdecken, dass auch die anderen sechs Gäste das so machen :D). Denn die Schuhe müssen in Laos nicht nur bei Tempeln draussen bleiben und weil es hier in der Nacht soooo kalt ist, geht barfuss oder nur in Socken frühstücken oder Znacht essen gar nicht – also tragen wir unsere schicken Finken sogar zur Abendgarderobe :D. Frühlingshaft ist die Pflanzenwelt mit wunderbaren exotischen Blumen und vielen Schmetterlingen und Grashüpfern und das Vogelgezwitscher, das uns am Morgen sanft weckt. Wenn die Sonne dann einmal da ist, wird es über Mittag richtig heiss wie im Hochsommer. Da Trockenzeit ist, kommt ganz viel Laub von den Bäumen und so raschelt es auf den Nachmittagsspaziergängen wie bei uns im Oktober. Viele Blätter sind so gross wie ein A4-Papier. Wenn die von oben durch die Baumkronen angesegelt kommen, knattert es richtig laut. Und die vielen riesigen Spinnen erinnern helloweenmässig auch an Herbst. Nicht nur der Jahreszeiten wegen, sondern auch wegen der wunderbaren Umgebung, dem superfeinen Essen und dem liebenswürdigen Personal ist das Lao Spirit Resort zu unserem ganz persönlichen „Four Seasons“ geworden.
Neundrachenfluss
Auf den Abschnitten, auf denen wir mit verschiedenen Schiffen auf dem Mekong unterwegs sind, gibt es unglaublich viel zu entdecken. Wir lernen den „Neundrachenfluss“ von seinen unterschiedlichsten Seiten kennen. Im nördlichen Laos während der zweitägigen Fahrt mit dem Schiff Luang Say fahren wir durch eine Landschaft, die geprägt ist von Wald, Hügeln und Felsen. Am Flussufer gibt es ab und zu mal einen kleinen Erdnüsschenacker oder badende Wasserbüffel an den kleinen Sandstränden. Das Wasser ist zwar hellbraun trüb, aber eher so wie die Töss, wenn es stark geregnet hat. Unterwegs gibt es Zwischenstopps in den kleinen Dörfern von laotischen Minderheiten.
Auf der vierstündigen Fahrt mit dem Schnellboot von Phnom Penh bis nach Chau Doc haltenwir kurz bei der Ausreise aus Kambodscha und ein paar hundert Meter weiter bei der Einreise nach Vietnam. Okay, das wird sicher länger dauern, denken wir. Denn schliesslich, war das Visum für Vietnam das einzige für unsere ganze Reise, das wir schon im Oktober bei der vietnamesischen Botschaft in Bern beantragen mussten. Und in Kambodscha musste bei der Einreise ein Passbild fürs Visum abgegeben werden. Weit gefehlt! Wir müssen nicht mal aussteigen und unser Gesicht zeigen – weder den Kambodschanern noch den Vietnamesen :-). Einer der Crew schnappt sich unsere beiden Pässe und es dauert keine zwei Minuten bis wir wieder ablegen.
Während der drei Tage mit unserem Mini-Luxus-Korbschiffli Song Xanh durchs Mekongdelta sehen wir alles: von der toten Ratte, die im stinkenden, übel verschmutzten Nebenfluss schwimmt bis zum riesigen, breiten, in der Sonne glitzernden Strom, auf dem sich das ganze Leben abspielt. Die Fahrt ist sehr kurzweilig und zwischendurch gehen wir an Land, um etwas zu besichtigen. Nicht nur Tempel, sondern auch eine Ziegelei und eine kleine Zältli-Manufaktur. Und wir cruisen mit dem Velo durchs „Bonsai Flower Village“ (quasi das Holland Asiens, was den Anbau und Export von Blumen angeht).
Die vietnamesischen „Kantone“
Drei Kantone sind auf dem Mekong in Vietnam vertreten. Schon als wir die „Song Xanh“ in Chau Doc besteigen witzeln wir über das Kennzeichen: „Lueg mal, mir sind mit eme Thurgauer-Schiff underwägs!“ Und auf dem Fluss sind tragen zunächst die allermeisten Schiffe eine Aargauer Nummer. Mehr Richtung südchinesisches Meer kommen immer mehr TG-Schilder dazu und ab und zu lässt sogar ein St.Galler Pedros Herz höher schlagen ;-). Die Vietnamesen von anderen Schiffen und auch vom Ufer rufen uns die ganze Zeit zu und winken fröhlich. Wir fühlen uns schon bald wie die Queen auf der Fahrt durch London und witzeln über unsere Winktechnik :D.
Töffliakrobatik
Auch an Land amüsieren wir uns immer wieder bestens beim Beobachten des Alltagsverkehrs. In einem kleinen Städtchen geht Pedro zum Coiffeur (wahrscheinlich hat er Angst, ich schneide ihm beim nächsten Haarschnitt ein Ohr ab) und ich kann kann einfach auf dem Bänkli vor dem Laden sitzen und bisschen auf die Strasse schauen. Es wird mir definitiv nicht langweilig, wenn ich einfach nur zuschaue, was und wer da so alles vorbeifährt. Ist ein günstiger Nachmittag: Vehicle-Watching ist definitiv billiger als Schaufenster angucken und Pedros neuer Haarschnitt kostet mit Rasur umgerechnet 2.50 Franken.
Ganz am Schluss von unserer Tour durch Indochina schlägt Saigon in Sachen Verkehr einfach alles. Man kann auf einem Motorrad alles transportieren – wirklich alles! Und zu viert oder sogar zu fünft auf einem Roller ist auch kein Problem. Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus! Fünf Millionen Motorräder sind in dieser Stadt unterwegs. Und wir haben das Gefühl, alle auf einem Haufen und immer genau an dieser Kreuzung, über die wir rüber wollen. Wir brauchen jedes Mal richtig Mut, um eine Strasse zu überqueren – selbst wenn wir uns dafür einem einheimischen Fussgänger (also einem St.Galler ;-)) an die Fersen heften!
Inzwischen sind wir wieder am Tauchen und zwar im Norden der indonesischen Insel Sulawesi. Schon bald gibt’s den nächsten Reisebericht über die Lembeh Strait und Gangga Island. Bis dann!