Sayonara Tokyo / o-hayo gozai-mas Effretikon

23.03.2014

Lesen hilft nicht unbedingt weiter

In Tokyo kommen wir mit etwas gemischten Gefühlen an. Wir kennen so wenig von der japanischen Kultur und haben uns ehrlicherweise auch nicht so gut auf die Stadt vorbereitet. Also heisst es nun, sich überraschen lassen. Jemand hat uns im Vorfeld gewarnt, in Japan spreche nicht mal das Hotelpersonal englisch und da unsere Japanischkenntnisse doch eher bescheiden sind, ahnen wir Schlimmstes…
Unser Informant ist offensichtlich im letzten Jahrhundert hier gewesen. In der Zwischenzeit hat das Hotelpersonal dazugelernt und spricht mit charmantem Aktzent englisch.
Unser „Bellgirl“ infomiert uns über die vielen Möglichkeiten und erklärt uns kurz öffentlichen Verkehrsmittel. Dann geht es das erste Mal los in die grosse Stadt mit immerhin 9 Mio. Einwohnern. Wir sind uns gewohnt, immer mal wieder in Metrostationen oder in Restaurants nach einem WiFi zu suchen, um unsere gefundenen Geocaches zu loggen. Cool, WiFi hat’s auch überall… Häähhh? Nur versuch mal, dich hier einzuloggen! Anmelden und einloggen auf japanisch ist doch eher schwierig…
U-Bahn fahren ist in Tokio sehr verbreitet und eigentlich auch praktisch und ganz einfach. Wenn du japanisch kannst. Auf den ersten Blick wird’s sprachunkenntnisbedingt echt schwierig, die Richtung und die Stationen zu erkennen. Erst später finden wir dann hinter den Säulen auch noch die englische Version dazu. Vielfach hat es Wegweiser und Anzeigetafeln, die nicht unbedingt weiterhelfen…
Oder die Tickets für das Schiff: ist das jetzt nun ein Retourbillet oder nicht? Und bis zu welcher Station ist es gültig? Keine Ahnung! Oder im SevenEleven etwas zum Picknicken einkaufen: Ist das Milch oder Buttermilch oder Joghurt oder Rahm? Keine Ahnung! Ist echt eine neue Erfahrung, wenn man nichts lesen kann.

Der kommt nicht in die Dose!

Als Highlight empfiehlt uns Schiristi (unser Bellgirl), und übrigens auch jeder Reiseführer, der Thunfischauktion beizuwohnen. Das soll megaspannend und einzigartig sein. Es beinhaltet nur zwei Probleme: früh (sehr, sehr früh!) am Morgen aufstehen und das maximale Kontingent von 120 Personen. Ok, also wir wollen dabei sein. Der Plan ist, den Wecker auf 3.00 Uhr stellen, dann zu Fuss zum Fischmarkt am Hafen zu schlendern und dort die Auktion bewundern.

Drei Uhr morgens ist wirklich verdammt früh aber ok. Komm, Frau Büchel! Aufstehen! Nach mehrmaligem Schütteln ist sie dann auch auf den Beinen und wir verlassen das Hotel um 03:30 Uhr. Es ist ist ordentlich frisch im März in Tokio und es beginnt noch etwas zu nieseln. Als Fussgänger ohne Ortskenntnisse merken wir schnell, kommen wir nicht weit. Luftlinie ist es immer gaaannnzzz leicht und scheint nah. In einer Stadt, die nur aus Wolkenkratzer und verschlungenen Unter- und Überführungen besteht, wird’s aber schnell kompliziert.
Wir entschliessen uns also für ein Taxi und das stellt sich als goldrichtig heraus. Wir kommen also um knapp vier Uhr in der Halle an und sehen nur gerade zwei Menschlein draussen stehen. Wir also husch herein in die gute Stube und stehen vor 60 wartenden anderen Gästen mit gelben Ueberziehwarnwesten. Wir stellen fest, das wir Nummer 63+64 sind, die nun mit blauen Westen gekennzeichnet werden und in Gruppe 2 eingeteilt sind. Nach weiteren 30 Minuten ist die Halle voll. Es beginnt die Wartezeit. Die zweite Gruppe darf 05:50 die heiligen Hallen betreten. Nebenbemerkung: Alle die etwas später als wir gekommen sind, wurden wieder weggeschickt und für die unter euch, die jetzt einwerfen, man hätte halt das Ticket früher bestellen müssen…Geht leider nicht. Es gibt keine Billette zu kaufen. Die ganze Sache ist GRATIS!!! Dann endlich gehts los. Die Auktion ist echt interessant und das Aufstehen hat sich so oder so gelohnt. So ein durchschnittlicher Tuna geht dann für so ca. 5’000-10’000 US Dollar über die Theke. Wir werden von Securityleuten durch das ganze Areal begleitet und landen schliesslich mitten in den Fischen auf dem Versteigerungsplatz. Hier gehts dann richtig zur Sache: Nach eingehender Prüfung der jeweiligen Tunas mit Messer, Hacken und Taschenlampe wird geboten und überboten was das Zeug hält. Man hat uns vor dem Anlass einen Videofilm gezeigt und ein mehrsprachiges Merkblatt in die Hand gedrückt, um uns zu informieren, was wir zu tun und zu unterlassen haben. Z.B. keine Fotos mit Blitz und ja keine Handzeichen auf dem Auktionsplatz; das könnte nämlich teuer werden. Der teuerste 222 kg schwere Tuna wurde in Tokio vor kurzem für 1,3 Mio Euro ersteigert. Das gibt einen kg Preis von etwa 6000.- Euro. Den Shusipreis habe ich jetzt nicht auch noch ausgerechnet :-D.
Nach 25 Minuten ist die Führung zu Ende und man geleitet uns sanft aber bestimmt aus der Halle. Danach laufen sie mit uns noch durch unzählige rückwärtige Dienste, wie die Sägerei oder die Verpackungsstrasse. Mich faszinieren dabei die unzähligen kleinen Fahrzeuge, auf denen die Arbeiter und Fischhändler stehend fahren und mit einem Megazahn um die Kurven rasen. Die kleinen Transporter sind echt der Hit und am liebsten würde ich einen mitnehmen. Bis heute habe ich aber noch nicht herausgefunden, wie man die Dinger bedient.

Tokyo Skytree

Tokyo zeigt sich uns zunächst von seiner schönsten Seite: Sonne satt für die Erkundungstouren durch die Stadt. In den diversen japanischen Gärten öffnen sich schon, wohl etwas zu früh, die ersten Kirschblüten. Mitten in der Stadt gibt es immer wieder kleine Schreine mit der typischen japanischen Bauweise, die sich mit Hochhäusern abwechseln. Ein anderes Wahrzeichen der Stadt ist der Skytree, ein 634 Meter hoher Aussichtsturm. Wir beschliessen, ihn am Abend zu besuchen. Die Aussicht auf das beleuchtete Tokyo ist atemberaubend und unbedingt zu empfehlen.

Thunderbirds Cafe

Der letzte Tag in Tokyo ist eisig, eisig kalt. So können wir uns schon mal auf die Schweiz vorbereiten! Tina dreht trotzdem eine Joggingrunde rund den kaiserlichen Palast mit Hunderten von japanischen Läufern (es ist Samstagmorgen und ganz Japan von scheint für den nächsten Marathon zu trainieren). Das Wetter hält uns natürlich auch nicht vom Cachen ab! Die GPS Koordinaten sind zwar immer klar, jedoch sind die meistens Beschreibungen in Japanisch. Für uns heisst es deshalb intensiver Suchen… Manchmal kommt man durch’s Geocachen zu unglaublichen Locations. Z.B. das kuriose Kaffee im Untergeschoss, das der Marionnetten- Science-Fiction-Serie „The Thunderbirds“ gewidmet ist. Echt schräg! Immerhin gibts guten Kaffee und wir sind fast alleine. http://www.japantrends.com/thunderbirds-cafe-tokyo/

Closomat und Co.

Immer wieder Bewundern oder Bestaunen wir japanische Kuriositäten: Allem voran das ewige Verneigen und Bücken von Mitarbeitern vor Kunden. Es beginnt im Bus, der uns am Flughafen abholt, geht weiter auf dem Riverboot und der Hafenrundfahrt und endet im Restaurant. Ich empfinde es durchaus als angenehm, wenn auch ungewöhnlich. Ich muss mich auch immer wieder verneigen aber unfreiwillig: Japaner sind in der Regel eher klein und bauen deshalb auch alles in Ihrer Grösse.
Oder die japanischen Hight-Tech-Toiletten: Dusch-WC’s kennen wir ja noch, aber Sitzheizung ist definitiv neu. Und das überall, selbst in den öffentlichen WC’s oder den Gästetoiletten der Restaurants. Die Bedienung der Dinger ist übrigens ausserhalb des Hotel auch eher schwierig. Zwar sind die Knöpfe und Hebel alle vorhanden, nur weisst du nicht, welchen du wozu drücken musst!?!
Lustig sind auch die EINZELN verpackten Erdbeeren, die man im Supermarkt kaufen kann oder das Glace in der geschlossenen Waffel (mega fein!).
Für die vielen Milionen von Einwohnern, die ja wie gesagt ja voll laufsportverrückt sind, gibt’s unzählige Running-Shops. Ihr könnt euch Tinas Augen vorstellen 🙂 Natürlich hat sie jetzt ein Paar Mizunos als Souvenir von Tokyo…
Der ständige Platzmangel macht erfinderisch: Das Drehscheibenparkhaus ist in Tokyo Standard und der Kimono gehört schon fast zum guten Ton. Wir haben Anfangs immer gedacht, das viele Japaner den Mundschutz tragen, um sich vor der schlechten Luft in der Grossstadt zu schützen. Falsch! Man trägt den Schutz aus Höflichkeit gegenüber den anderen Menschen. Wer sich etwas erkältet hat oder niesen muss, vermeidet so eine Ansteckung des Anderen. Also wehe, du musst niesen und trägst keinen Mundschutz. Aber ein Japaner würde dir natürlich niemals einen bösen Blick zuwerfen oder überhaupt den Kopf drehen, dafür sind sie viel zu höflich.

Marie-Theres Nadigs Kobe Beef

Am letzten Abend gönnen wir uns noch etwas ganz Besonderes: Wir haben uns einen Tisch in einem Restaurant reservieren lassen, welches nur Kobe Beef anbietet. Kaum angekommen, erklärt man uns die Speisekarte. Vom prämierten Kobe Rind mit Stammbaum bis zum „normalen“ Kobe-Beef (welches natürlich auch schon abnormal teuer ist) ist alles zu haben. Wir sind echt froh, dass unser Koch sehr gut englisch spricht und  alles in Ruhe erklärt. Die Speisekarte hätten wir nicht verstanden. Das Nr.1 Kobe Rind für 400.- CHF pro 200g  lassen wir dann doch aus und bestellen das etwas preiswertere Komplettmenue mit Beilagen und Getränken mit 160g Kobe-Beef für 225 CHF. Und auch das zergeht auf der Zunge und schmeckt wirklich unheimlich gut (auch ohne Stammbaum). Auch das Ganze drum herum ist ein Erlebnis. Mit Latz sitzen wir quasi direkt an der Herdplatte und haben unseren eigenen persönlichen Koch, der uns das Fleisch und die Beilagen brutzelt und serviert. Als er erfährt, dass wir aus der Schweiz sind, wird’s richtig witzig. Er erzählt uns, er kenne Marie-Theres Nadig persönlich, sei schon bei ihr zuhause eingeladen gewesen und habe sie in Sapporo (Goldmedaille 1972) bekocht. Wir werden den Verdacht nicht los, dass er wohl damals ziemlich verliebt war.

Die Weltreise neigt sich dem Ende zu und wir fliegen nach etwas mehr als vier Monaten heimwärts. Den fünften Monat unserer Auszeit verbringen wir unterwegs in Europa (auf dem Kreuzfahrtschiff) und in der Schweiz (ein bisschen kreuz und quer mit Auto rumkurven und mal hier und mal da übernachten – zwischendurch auch mal in Effretikon :-). Am 1. April geht’s zurück in den Alltag. Wir haben die Reise in vollen Zügen genossen und möchte keine Sekunde davon missen.

Wir freuen uns, euch zu sehen! Bis bald!

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